Eröffnungsrede Vernissage 4. April 2014

Atelierhaus Neuss

 

Klaus-Dieter Pittrich



Annäherung

Erinnere ich mich an Roland La Nier,
denke ich an

die Natur
das Licht
die Musik
den Himmel
das Kino
die Frauen
den Hut
die Ateliers

die Kneipe
den Raum
die Freunde
das All
das Radio
die Städte

den Flaneur
die Farben
die Drinks
die Sterne
den Stein
die Galerien
den Tanz
die Kollegen
die Reisen
die Menschen
die Krankheit
die Museen
die Oper
die Bewegung, die Welt – das Auge – die Hand





Die Hand des Künstlers, wie auf der Einladung zu dieser Ausstellung zu sehen, wird  zum fast beschwörenden Gestus.


Die bewegte Hand
(Der Philosoph Ernst Bloch über Malerei)

„Es führt zu gar nichts, nur auf schöne Art zu fühlen.
Das bleibt innen, hat keinen Weg aus sich heraus,
wird nicht mitgeteilt. Aber ebenso ist das Innere vorausgesetzt,
wo immer künstlerisch gestaltet wird. Ein  I C H  muss hinter der aufgetragenen Farbe sein,
eine Hand, die aufträgt.
Ein Gefühl geht durch die Hand hindurch, fügt sich in das Gemalte ein….
Wenn auf dem Weg, zwischen dem Ich, das etwas kann, und dem Handwerk, das gekonnt wird, etwas verlorengeht, war es nicht viel wert…“

Roland La Nier starb vor 13 Jahren, am 16.März 2001.
Mit dieser Ausstellung soll an ihn erinnert werden.

Sie wurde möglich durch das Engagement der Familie Sedlmair, die sich nach dem Tode von Irmhild La Nier des künstlerischen Nachlasses von Roland La Nier angenommen hat. Verwandtschaftliche Bande zeitigen so dankenswert Wirkung.

Ein besonderer Dank gilt  dem Gastgeber, Herrn Jürgen Zaun mit seiner Galerie am Atelierhaus.

Als mir angetragen wurde, heute hier zu sprechen, fragte ich mich nach meiner Legitimation und suchte nach einer denkbaren Antwort.
Hätte ich Roland fragen können: „Sag nichts!“ wäre die eine gewesen, „Sag, was Du willst!“ die andere.

Paul Valery meinte, man müsse sich bei Malern entschuldigen, wenn man es wage, über Malerei zu sprechen.

Daran will ich mich  halten aber dennoch versuchen,  Roland La Nier gerecht zu werden.
N i c h t  als Kunst-Experte oder ikonographischer Exeget, sondern als Freund und interessierter Zaungast seines Schaffens.

La Niers Sicht auf die Welt war eigensinnig, seine künstlerische Manifestation kompromisslos. Er hat seine Freunde nur widerstrebend teilhaben lassen an seiner „Reise durch die Wildnis seiner existenziellen Verwirrungen“, an den Versuchen, seine Wahrheit zu  entdecken.
Aber bei Betrachtung seiner Bilder werden wir des Standpunktes gewahr, von dem aus er die Welt betrachtete.
La Nier hatte, wie man es mit Wilhelm Genazino sagen  könnte,
ein Auge, einen Blick für die „Gesamtmerkwürdigkeit allen Lebens“.

Durch seine wechselnden  Schaffensperioden hin faszinieren immer wieder die RÄUME, die zum Eintreten, Einnisten verleiten.
Ich denke in diesem Zusammenhang an David Hockneys Bemerkung:
„Unser Begriff von Raum hat  unglaubliche Rückwirkungen auf uns selbst. Letztlich geht es um unsere Identität:
w e r  und  w o  wir sind“.

Also: Räume als Versuchung, sich in ihnen zu spiegeln.

Der Kunst-Publizist Werner Krüger konstatiert:
„Roland La Nier  kontrolliert seine Emotionen dahingehend, dass Form und Farbe nichts weiter als streng kalkulierende Räume-Assoziationen vermitteln dürfen. Diese Bilder sind Ausschnitte von Kosmos und Welt.“

La Nier hatte mit Arbeiten begonnen, die noch expressionistisch beeinflusst waren, auch surrealistische Elemente sind zu finden.

Eine seiner frühen Schaffens-Phasen ist vom  musikalisch inspirierten  Action Painting geprägt, wobei die elektronische Musik eine maßgebliche Rolle spielt; später tauchen seine typischen Raumgitter auf, suggestive Blau-Weiß-Arrangements folgen.

In den achtziger Jahren dominieren die suggestiven Räume.
Dazu farblich variierte, silhouettenhaft - anatomisch figurierte Motive.
Immer wieder auch Porträts (seiner Frau, Freundinnen,  Freunden),
Skulpturen, Collagen, spät auch Objekte.
Bei alledem ist Roland La Nier ein ISMEN - Ignorant.
Vorbilder, wenn überhaupt, etwa De Chirico, werden ihm nie zu Götzen.
Während der Intendanz von Hermann Wetzke (1967-1978) entwarf er die Bühnenbilder zu Shakespeares „Othello“ am Rheinischen Landestheater Neuss.
Auftragsarbeiten waren seine Sache nicht. Auch da ging Eigensinn vor Gewinn.

„Ich habe immer gemacht, was ich wollte“.
Das gilt in der Kunst, aber auch im Leben. Konflikte bleiben nicht aus.
Auch bei Kenntnis  seines OEuvres  seiner Arbeitsweise, ist es schwierig, wollte man La Niers ästhetische Intentionen, sein künstlerisches Credo, in Worte zu fassen suchen.

Eine kreative Standortbestimmung des  Malers  Kasimir Malewitsch  kommt dem, nach meinem  Empfinden,  am nächsten:
„Der Künstler kann zum Beispiel sagen, dass er ein extremer Individualist sei, dass er durchlebe, was man nicht aussprechen kann, und dass seine Malerei für ihn das Mittel sei, mit dem er versucht, seine Erregung wiederzugeben.“

Die heutige Ausstellung FARBIMPRESSIONEN mag das illustrieren.
Sie umfasst 17 Bilder des Künstlers, sämtlich in  den 90er Jahren in Köln entstanden. Sie machen nur  einen  Bruchteil des Nachlasses aus, sind aber gleichwohl wesenhafte, signifikante Zeugnisse seines Schaffens.

Prof. Jochen Horn, ein enger Freund und kritischer Wegbegleiter, bescheinigte La Nier eine „gute Sensibilität und hohe anschauliche Intelligenz“.
„Gemeinsam ist ihnen allemal das EIGEN - sinnige“.
„Das  I C H  hinter der aufgetragenen Farbe“.

Man wird ihnen keine bestimmte Periode zuordnen;  sie sind jedoch sichtbarer Ausdruck seiner künstlerischen Vitalität, seiner virtuosen Kompositionen in Farbe und Form,  Ausdruck seiner Lebens- und Schaffenskraft.  Beispiele auch für seine Sicht auf die Welt und deren Zeitläufe, die vor der Tür seines Ateliers nicht Halt machten.

„Ein Gefühl geht durch die Hand hindurch, fügt sich in das Gemalte ein.“

Köln war für Roland La Nier künstlerisches Zentrum geworden. Das wurde ihm allerdings nicht an der sprichwörtlichen Wiege gesungen. Die stand in Newark / New Jersey, wo er am  18.September 1921 geboren wurde. Der Zehnjährige bekam von der Mutter Farben geschenkt und begann zu malen: Landschaften, Bäume, Blumen, Tiere. Die Mutter ist Klavierlehrerin. Roland später: “Den ganzen Tag hatten wir Musik im Haus“.
Wer den Maler La Nier je hat arbeiten sehen, weiß:
 
OHNE MUSIK KEINE MALEREI.

„Die abstrakt-realistische Malerei drückt sich aus, ohne auf die Form zurückzugreifen, und insofern scheint sie mir der Musik vergleichbar, die sich gleichfalls nicht an natürliche Formen anlehnt“  (Piet Mondrian.)

Doch zurück nach New York, wo La Nier aufwuchs.
Truman Capote beschreibt die Stadt:
„ Ein Mythos ist sie, die große Stadt, die Räume und Fenster, die dunstspeienden Straßen, für jeden, alle, ein anderer Mythos….auf den Namen kommt es kaum an, weil man aus der vertrauteren Wirklichkeit des Anderswo kommend, nur auf der Suche nach der großen Stadt ist, einem Ort, sich darin zu verbergen, oder sich selbst zu entdecken…“(Truman Capote: „Viele Wege führen nach Eden“, S. 15).

Als 1976, anlässlich von BICENTENNIAL ein sogenannter  „New York Knüller“ angeboten wurde (ein Werbeslogan für Flüge nach New York), nahmen die La Niers, die gemeinsame Freundin Gert Peter-Mögenburg und ich die Gelegenheit wahr und starteten Richtung New York.

Dort mit einem Stück La Nier´scher Vergangenheit konfrontiert, meinte ich zum ersten Mal vertraute Motive aufzufinden:
Da waren sie, die Schluchten, die Gitter, die Fenster.

Es hatte jedoch eines Tricks bedurft, um Roland zu dieser Reise zu bewegen. Die skeptische Distanz  gegenüber seinem Land, seiner damaligen Politik war schier unüberwindlich. Immer wieder drängte ihn seine Frau zu der Reise, um seine Verwandten, die Plätze seiner Kindheit kennenzulernen, die Stätte seines künstlerischen Werdens. „Nein. Flieg allein!“. Erst als sie ihm offerierte, Freunde seien bereit, sie zu begleiten, willigte er ein.

La Niers Rückkehr nach 30 Jahren war wie eine Heimkehr. Der gemeinsame Besuch seiner Studien-Stätte, der „Artist Student League“, das Wiedersehen mit seinen Geschwistern, und nicht zuletzt das neu zu erlebende
NEW YORK  waren  für ihn  bewegende Augenblicke.
Danach schlug die Wünschelrute immer mal wieder kräftig aus, Richtung New York.

Unfreiwillig, als Soldat, war der Soldat La Nier in Europa gelandet.
Und wieder unfreiwillig wurde er fast zum Pendler zwischen den Welten.

Schließlich aber Paris, wohin ihn eine Auftragsarbeit, Ergebnis eines Wettbewerbs, führte. Als Stipendiat besuchte er die „Académie Julien“.

La Nier erinnert sich:
„Das war ein langweiliger, konservativer, akademischer Betrieb dort.
Bei der Artist Student League in New York war’s interessanter und vielseitiger. Doch das Leben in Paris war natürlich schön. Ich hatte im Quartier Latin, in der Galerie 8, hin und wieder ausgestellt“.

Roland La Nier bleibt in Europa, wenn auch nicht in Paris.
In einem Rundfunk-Interview der 60er Jahre zitiert er seinerseits Capote:
„Ich hatte recht daran getan nach Europa zu gehen und wenn es nur deshalb gewesen wäre, um wieder voller Bewunderung sein zu können. Es ist sehr schwer, Bewunderung zu empfinden, wenn man ein gewisses Alter überschritten hat und gewisse Erfahrungen gemacht hat.“

Roland La Nier, der Amerikaner in Köln, erzählt:
Mein Herz war, wie man so sagt, am Rhein festgehalten…
1952. Ein saures Jahr. Kaum Geld. In Paris verkaufte ich mein Motorrad.
Mit diesem Geld verschaffte ich mir eine Fahrkarte nach Köln…
Oder hätte ich nach New York fahren sollen? Vater und Mutter waren inzwischen verstorben.
Sehnsucht? Nach Amerika?
Ich hatte Sehnsucht nach Köln.

So war ich froh, als ich dann endlich den Rhein sah, den Dom, die Stadt. Wenn ich auch mit leeren Taschen am Hauptbahnhof  ankam, damals 1952….
Damals war ich so gut wie der einzige amerikanische Maler in der Stadt…

Bald gehört der Amerikaner in Köln zum Stadtbild. Barbara Walser porträtiert ihn in den „Kölner Skizzen:
„Ein feiner Herr, im Sommer mit hellem Panamahut und elegantem Gehstock, mit seinem fein gezwirbelten Schnurrbart und der dunklen, südländisch anmutenden Erscheinung fiel er auf in der Kölner Kunstszene.
Er hatte wache, neugierige Augen, die Augen eines Malers, der rasch alles erfasste, was er sah und interessiert war an dem, was ihm das Leben bot.
Er fühlte sich als Kosmopolit, war stolz auf seine indianisch afroamerikanisch spanische Herkunft. Seine Gestik verriet den weltgewandten Grandseigneur, der manchmal zwischendurch spitzbübisch zwinkerte.“
(Barbara Walser: „Ein Amerikaner in Köln“, in „Kölner Skizzen, Heft 3, 2001, S. 20)

La Nier selber, weiter über seine erste Zeit in Köln:
„… es gab Galerien, ZWIRNER, DER SPIEGEL, Vasarely, Ben Nicolson, Richard Mortensen, Hubert Berke, Ernst Wilhelm Nay, Hann Trier.
Da war das Wallraf-Richartz-Museum. Ach war das ein Gerenne in den Sälen, wenn auch immer man dort hin ging. …“

Und da waren die musikalischen Veranstaltungen, Jazz-Konzerte, der WDR mit seinem elektronischen Studio, Stockhausen, Kagel.
La Nier kommt zu dem Schluss:
„Wir lebten hier in Köln am  Rhein nicht auf dem Mond, glaube ich.“

Natürlich nicht. Wäre er sonst Irmhild  Kuhnt begegnet, 1961.
Ein Jahr später heiraten in Neuss die, die nie heiraten wollten.
Doch Köln bleibt ihre Stadt.

Nach getaner Arbeit, er im Atelier, sie in der Fernseh-Redaktion,
trafen sie sich beim Kölsch in der KLEINEN GLOCKE,
um dann gemeinsam nach Hause zu stiefeln e r, zu stöckeln s i e.

Irmhild, durch die ich  Roland kennenlernte, war lebenslang aufmerksame Begleiterin seines Wirkens,  garantierte Raum für kreatives Schaffen, ebnete Wege der Präsentation seiner Werke.
Dafür gebührt ihr posthum Dank.

Hier und da habe ich  bruchstückhaft Marcel Proust zitiert.
Zum Schluss der vollständige Text:

„Wir empfangen die Wahrheit nicht, wir müssen sie
für uns selbst entdecken
nach einer Reise durch die Wildnis,
die niemand an unserer statt antreten,
die niemand uns ersparen kann,
denn unsere Weisheit ist der Standpunkt,
von dem aus wir schließlich die Welt betrachten.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute Abend spannende Entdeckungen.

Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.


 

Klaus-Dieter Pittrich

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